»Die Geschichte beginnt mit einem Huhn« von Ella Risbridger

Die Geschichte beginnt mit einem Huhn von Ella Risbridger von Callwey Verlag 2020

In diesem Buch kocht sich Ella Risbridger zurück ins Leben – »Die Geschichte beginnt mit einem Huhn«. Illustrationen von Elisa Cunningham, Callwey Verlag.

 

Ich glaube an schlechtes Kochen und experimentelles Kochen und Einfach-drauflos-Kochen. Und ich glaube, dass so zu kochen einem guttut, und ich glaube: Wenn ich kochen kann, kannst du es auch. Wenn ich kochen kann, kann jeder kochen.

Ella Risbridger

 

Ella Risbridger ist Schriftstellerin. Als sie 21 Jahre alt ist, versucht sie, sich einem Bus entgegenzustellen. Zurück in ihrer Küche beginnt sie eine Auseinandersetzung mit sich selbst und ihren Bedürfnissen im Leben. Sie nimmt ein Huhn aus der Verpackung, legt es auf ein Ofenblech und lässt es atmen. Zeit und Aufmerksamkeit, die sie einem toten Huhn schenkt, retten ihr selbst das Leben.

 

Ein Hoch auf ein Huhn – Kochen und das Leben lieben

Die Geschichte beginnt mit einem Huhn von Ella Risbridger von Callwey Verlag 2020

Ella Risbridgers Geschichte beginnt mit einem Huhn, aus »Die Geschichte beginnt mit einem Huhn« Callwey Verlag 2020.

 

Mitternachtshuhn

»Für 2 Personen, mit Resten (für Suppe und Salat und Brühe und Sandwiches)

1 Huhn, meines wog 1,6 kg
8 Zehen Knoblauch (oder so viele, wie du verkraftest)
2 frische Chilischoten (oder 3, wenn du kein Chilisalz hast)
ein paar Zweige Rosmarin
ein paar Zweige Thymian
1 großer TL grobkörniger Senf
Pfeffer
Chilisalz (oder Meersalz)
Olivenöl (optional)
1 etwa daumengroßes Stück Ingwer
etwa 1 TL Honig
1 Zitrone

Nimm das Huhn aus der Verpackung. Leg es auf ein Backblech und lass es atmen. Heiz den Ofen auf 180 °C vor.

Schäl den Knoblauch, hack die Hälfte ganz klein und gib die Stücke in eine Tasse. Wasch die Chilischoten sowie den Rosmarin und den Thymian, zerschneid alles mit einer Küchenschere und gib es in die Tasse. Füg den Senf, etwas Pfeffer und Chilisalz zu (normales Meersalz tut’s auch, wenn du kein Chilisalz hast). Du kannst auch einen Spritzer Olivenöl zugeben, wenn du magst. Ich mache es nicht immer, aber manchmal schon, und dann ist es ein Genuss.

Schäl und reib den Ingwer, wenn du ein kleines Reibeisen hast. Falls nicht, hack ihn einfach klein. Das passt schon. Gib das meiste davon in die Tasse zu dem Knoblauch und den Kräutern. Die letzte Prise Ingwer kommt zusammen mit dem Honig in einen Henkeltasse.

Setz Wasser auf.

Die Zitrone halbieren. Die eine Hälfte fest und die andere Hälfte ein bisschen weniger fest auspressen. Den größten Teil des Zitronensafts in die Tasse gießen. Umrühren.

Gib den Rest des Zitronensafts in die Henkeltasse mit dem Ingwer und dem Honig. Mit heißem Wasser aufgießen. Umrühren. Trinken. Entspannen.

Kümmer dich nun wieder um das Huhn. Lös das Gummiband, mit dem seine Beinchen zusammengehalten werden, und schieb ihm die restlichen vier Knoblauchzehen und die weniger fest ausgepresste Zitronenhälfte in sein kleines Hinterteil. Bind die Beine wieder
zusammen, falls möglich, und reib dann die Hühnerhaut mit der Knoblauch-Chili-Kräuter-Ingwer-Zitrone-Mischung ein: Beine, Schenkel, Flügel.

Schieb das Huhn in den Ofen. Stell den Hühnchen-Küchentimer (ich weiß nicht, was du für einen hast, aber meiner hat die Form einer kleinen roten Henne) auf 1 Stunde 20 Minuten, wenn dein Huhn genauso schwer ist wie meines und dein Ofen etwa das gleiche Temperament
hat wie meiner. Wenn dein Huhn kleiner oder größer ist als meines, lass es pro 500 g 30 Minuten länger oder kürzer im Ofen. (Es gibt sehr akkurate Garzeitrechner im Internet: Ich benutze immer den von BBC Good Food*.)

Trink ein Glas Wein.

Wenn der Küchentimer klingelt, schau nach dem Huhn. Ich tue mich sehr schwer damit, herauszufinden, wann ein Huhn gar ist, aber ich weiß es theoretisch – man sticht mit etwas Spitzem in die fleischigste Stelle des Beins, und der herausrinnende Saft muss klar sein. Ist
er noch rosa, schiebst du das Huhn wieder in den Ofen. Wenn nicht, stellst du den Ofen ab und lässt das Huhn noch 5 Minuten ruhen. Tunk Brot in den Fleischsaft.

Tranchier das Huhn. Rupf das Fleisch von den Knochen.
Trink.
Iss.
Freu dich.«

 

Die Autorin erzählt uns ihre Rezept-Geschichten so, als stünde sie, eine gute Freundin, neben uns am Herd. Wir kochen ein Gericht aus ihrem Buch und Ella Risbridger teilt dabei ihre Rezepte, Erfahrungen und Empfindungen mit uns; sie erzählt uns, warum Kochen sie mit dem Leben verbindet. Wir lernen die Autorin kennen. Wir lernen uns selbst besser kennen.

Wir Lesenden und Kochenden blättern im Buch mit den Kapitelnamen »Küche«, »Frühstück«, »Suppe und Brot«, Pickicks und Pack-ups«, »Vorratsschrankgerichte und »Mitternachtsgelage«, »Wochenendküche« und »Süße Sachen« und wählen Gerichte aus wie »Schnelle, pink eingelegte Zwiebeln«, »Danny, der Pie-Held«, »Trüber-Tag-Porridge« oder »Samstagnachmittagslasagne mit geschmortem Lauch«, um aus dem heutigen einen schönen Tag für uns zu machen.

Wir stellen uns plötzlich Fragen wie »Bei wem hab ich eigentlich Backen gelernt?« »Welche Pilze mag ich am liebsten?« »Wie hat meine Mutter das gekocht, wie meine Großmutter?«, »Mit welchen Menschen möchte ich dieses Gericht, meine Zeit und dabei mein Leben teilen«?

Mit den von Ella Risbridger aufgeschriebenen Küchengedanken besinnen wir uns und bereiten mit unseren eigenen Händen und allen Sinnen unsere Speisen zu. Wir sind ganz bei uns und im Hier und Jetzt angekommen. Das Kochen der Gerichte hat etwas Meditatives und unser einziges Ziel ist, Freude über das schöne Essen zu empfinden, das uns das Leben schenkt.

 

 

»Es sind Gerichte, die dir verzeihen, wenn du sie zwischendurch mal kurz vergisst oder wenn du es mit dem Wiegen und Abmessen nicht so genau nimmst. Es sind Gerichte, die für dich da sind, wenn du mit einer roten Nase vom Spazierengehen nach Hause kommst. Es sind Gerichte, die alles wiedergutmachen. Es sind die Gerichte, die mir das Leben gerettet haben.«

Ella Risbridger

 

Ein Risotto für alle Fälle

Die Geschichte beginnt mit einem Huhn von Ella Risbridger von Callwey Verlag 2020

Essen kann Leben retten: Ella Risbridgers Notfallrisotto. Aus »Die Geschichte beginnt mit einem Huhn«, Callwey Verlag 2020

 

Notfallrisotto


»Das Beste an mir als Person ist, dass ich absolut immer die Sachen dahabe, die man für einen Risotto braucht. Man braucht Reis. Man braucht eine schmackhafte Flüssigkeit: Wein, Brühe, Pilzwasser oder einen in kochendem Wasser aufgelösten Brühwürfel. Butter, Öl oder irgendein anderes Fett. Gemüse. Vielleicht ein bisschen Fleisch. Vielleicht ein bisschen Käse. Einen Löffel, eine Bratpfanne, ein bisschen Geduld. Ein bisschen Zeit. Das ist alles. Wenn du diese Dinge hast, kannst du einen Risotto kochen.

Ich habe in Zeiten persönlicher und politischer Krisen Risotto gekocht und auch in Zeiten großer und überwältigender Freude. Ich kann Risotto kochen, wenn ich deprimiert und fröhlich und wütend bin, aber wie auch immer ich mich zu Beginn fühle, am Ende fühle ich mich jedes Mal besser. Ich habe erschütternd nüchtern und sturzbetrunken Risotto gekocht, und beide Male war es eine solide, verlässliche Wonne auf Getreidebasis. (Und es geht nichts darüber, einen heißen Topf Risotto mit zurück ins Bett zu nehmen, auch wenn ich zugeben muss, dass der Brandfleck auf der Bettdecke nie wieder ganz rausgegangen ist.)


Das Rezept unten ist für einen Risotto mit Walnüssen, Pancetta und Grünkohl, aber du kannst ruhig improvisieren. Wenn ich ihn für meine kleine Patentochter koche, mache ich ihn mit Garnelen und Chorizo, wie eine Art Pseudo-Paella; sie nennt es „Goldreis“. Und wenn ich Risotto für Essenseinladungen koche, bereite ich ihn mit Lauch und Taleggio zu. Was den Reis angeht, so ist es am besten, richtigen Risottoreis (Arborio oder Carnaroli) zu nehmen, weil er sich einfach besser und leichter kocht – aber im Notfall kannst du auch Milchreis oder sogar Basmati nehmen, wenn du die Geduld hast, etwas länger zu rühren.

Für 4 Personen
6 Knoblauchzehen
2 Zwiebeln
400 g Grünkohl
1 Handvoll Walnusskerne
200 g Pancetta in Würfeln
Butter oder Olivenöl zum Braten
400 g Carnaroli- oder Arborioreis
etwa 600 ml Hühnerbrühe (oder 1 Würfel Hühnerbrühe, in 600 ml kochendem Wasser aufgelöst, oder gekörnte Brühe)
etwa 300 ml Weißwein
etwa 60 g Parmesan
1 Spritzer Zitronensaft (optional)
Salz, schwarzer Pfeffer aus der
Mühle


Fang mit dem Knoblauch an: Hack ihn so fein wie möglich und dann noch ein bisschen feiner (lass dich nicht dazu hinreißen, ihn zu reiben – geriebener Knoblauch verhält sich im Risotto manchmal komisch). Die Zwiebeln ebenfalls schälen und fein hacken. Den Grünkohl waschen und zerkleinern. Ich gebe ihn dazu in einen Durchschlag, brause ihn kräftig mit Wasser ab und mache mich anschließend mit der Küchenschere über ihn her. Die Walnüsse in der Faust etwas zerkleinern.


Hol nun deine größte Bratpfanne heraus – am besten eine tiefe. Die Pancetta bei mittlerer Temperatur in der Pfanne ohne Fett braten, dabei gelegentlich umrühren, bis ihr Fett austritt und sie allmählich goldgelb wird. Knoblauch und Zwiebeln in das Pancettafett kippen und etwa 10 Minuten anschwitzen; dabei im Auge behalten – vielleicht musst du noch ein wenig Öl oder Butter zufügen.


Wenn du selbst gemachte Brühe nimmst, bring sie in einem kleinen Topf zum Kochen; wenn du einen Brühwürfel oder gekörnte Brühe verwendest, setz Wasser auf.

Wenn die Zwiebeln glasig werden und alles gut riecht, gib den Reis und richtig viel schwarzen Pfeffer dazu. Rühr den trockenen Reis durch die weichen Zwiebeln und gieß dann gerade genug Brühe darüber, dass er bedeckt ist (dabei stelle ich mir immer vor, durch ein überschwemmtes Feld zu waten, wie das Wasser beim Darübergießen zwischen den Körnern hindurchquillt und wie die Oberfläche glänzt). Gelegentlich umrühren und warten, bis der Reis die Brühe aufgesogen hat. Wein angießen. Warten. Rühren. Noch mehr Brühe zugeben. Der Reis liegt an, wenn man nicht stetig weiterrührt, aber das macht höchstwahrscheinlich nicht allzu viel. Warten. Rühren. Probieren. Brühe zugeben. So kannst du eine ganze Weile weitermachen. Der Große Mann merkt an, dass Risottokochen eine sehr meditative Tätigkeit ist, und da hat er recht.


Nach 20 Minuten kannst du mit dem Abschmecken beginnen – vorher schmeckt der Reis noch unangenehm kreidig. Ich bin in diesem Punkt einer Meinung mit Marcella Hazan und mag meinen Reis ganz durchgekocht. Reib den Parmesan hinein und schmeck noch einmal ab – vielleicht braucht der Reis noch Salz oder ein bisschen Zitronensaft, um das Fett zu neutralisieren.


Wenn der Reis nach deinem Geschmack gegart ist oder ein klein wenig früher, gib den Grünkohl zu. Einen letzten Spritzer Weißwein, wenn du magst. Mir schmeckt das, weil ich den leicht alkoholischen Beigeschmack mag. Für 5 Minuten den Deckel auflegen. Umrühren. Die in Stücke gebrochenen Walnüsse zugeben. Umrühren. Auf Teller verteilen.
Ein letztes Mal schwarzen Pfeffer darübermahlen, dann noch einen kleinen Spritzer Zitronensaft. Sofa. Decke. Hinlümmeln. Essen.«

 

Das Buch ist eine persönliche Rezeptesammlung aus dem Familien- und Freundeskreis. Zuhause ist der Ort des Herds und der Ort der eigenen Geschichte. Das Herz und der Bauch sind damit gleichermaßen wohlig gefüllt.

Achtung Spoiler: Die persönliche Kochgeschichte endet im Glück, mit viel Abwasch und der unbändigen Vorfreude auf mehr.

 

Brühe tut gut.

Die Geschichte beginnt mit einem Huhn von Ella Risbridger von Callwey Verlag 2020

Brühe gut, alles gut! Ella Risbridgers Geschichte endet im Glück und mit viel Abwasch. Aus »Die Geschichte beginnt mit einem Huhn«, Callwey Verlag 2020.

 

Brühe

»Dies ist das letzte Rezept im Buch, und du kannst es aus den Resten des allerersten zubereiten. Du brauchst nichts weiter als Hühnerknochen und ein bisschen von dem Gemüse, das du gerade im Kühlschrank liegen hast, dazu Salz, Pfeffer und ein paar Kräuter, doch daraus wird etwas Schönes. Etwas Goldenes. Lebendig und schimmernd und das Nahrhafteste, Lebensbejahendste, was ich kenne. Etwas, worauf man aufbauen kann, das aber genauso für sich allein stehen kann, wenn du einfach nur deine Suppentasse in beiden Händen hältst und daran nippst und am Leben bleibst. Ich verspreche dir, es lohnt sich. Doch ich glaube, das weißt du inzwischen.

Alles wird besser, wenn du eine gute Brühe kochen kannst. Natürlich ist es in Ordnung, Brühwürfel und gekörnte Brühe zu verwenden, und niemand außer dir selbst wird es je wissen – doch die anderen werden den Unterschied schmecken, wenn du selbst gemachte Brühe nimmst.

Das Ausschlaggebende hier ist Zeit: Es ist eine Form von Alchemie, Gemüseabschnitte, -schalen und Geflügelknochen in etwas Goldenes, Gehaltvolles und Fantastisches zu verwandeln, das den Geschmack dieser einzelnen Elemente auf alles überträgt, was du mit deiner Brühe kochst: Suppen, Saucen und Risottos. Falls du Knochen nimmst, geliert deine Brühe (wenn es richtig gute Knochen sind) in kaltem Zustand.

Wenn ich es zeitlich schaffe, koche ich Hühnerbrühe aus der Karkasse eines Brathuhns; ein paar Zwiebeln mitsamt Schale, gewaschen und geviertelt; eine Stange Sellerie, gewaschen und grob zerteilt; dito eine Karotte; und schwarzer Pfeffer (aber kein Salz, erst am Schluss). Mit Wasser bedecken. Und dann lasse ich alles 4–6 Stunden kochen, zugedeckt bei ganz niedriger Temperatur (bis ich die Brühe reduzieren will, um den Geschmack zu konzentrieren;, dann erhöhe ich die Temperatur und nehme den Deckel ab).

Wenn die Brühe fertig ist, siebe ich meist zuerst ein großes Glas davon durch ein mit einem Baumwolltuch ausgelegtes Sieb ab, um eine klare Brühe zu bekommen. Den Rest schöpfe ich mit einem großen Löffel vorsichtig heraus und erhalte so eine Brühe mit Pfefferpartikeln und perfekten Stückchen zarten Fleischs, eingebettet im Gelee. Beide Versionen halten sich ein paar Tage im Kühlschrank oder mehrere Monate im Gefrierfach.

Ich nehme die klare Brühe für klare Suppen, in denen der Hühnergeschmack als dezenter Hintergrund für alles andere dient. Die andere nehme ich für Risotto und Pastasaucen oder alles, worin das Huhn gern eine größere Rolle spielen darf. Wenn ich diese dickere Hühnerbrühe zum Beispiel für einen Risotto nehme, dann brauche ich kein Fleisch mehr (und komme mir sehr ökonomisch vor).«

 

  • Schön zu lesen, dass die Autorin eine so einfache Küchenausstattung besitzt, dass alle Leserinnen und Leser sich beim Kochen immer auf das Wesentliche beschränken dürfen.
  • … dass das Buch Tipp-Doppelseiten enthält über Picknicks, darüber, wie man langweilige Gerichte interessanter macht und auch solche darüber, was zu tun ist, wenn alles schiefgeht.
  • … dass ich mit dem roten Lesebändchen immer mein Lieblingsrezept kennzeichnen kann.

Ella Risbridger
»Die Geschichte beginnt mit einem Huhn«.
Rezepte, für die es sich zu leben lohnt.
ISBN: 978-3-7667-2487-8
29,95 €, Callwey Verlag

Bildnachweis: Mit Illustrationen von Elisa Cunningham. Aus Ella Risbridger »Die Geschichte beginnt mit einem Huhn«, Callwey Verlag 2020.